Der Zweifel, der Jubel, das Staunen
91 Gedankenfenster, 2017, orte Verlag, Schwellbrunn
Der Zweifel, der Jubel, das Staunen
In sieben Kapiteln und mehr als neunzig Kurztexten erkundet die Autorin Facetten des Denkens, der Imagination und der Wahrnehmung. Sie mutmasst und behauptet, sie lobpreist, ficht an und begründet. In poetischen, mitunter suggestiven Sprachbildern wagt sie ungewöhnliche Blickwinkel auf Phänomene des menschlichen Erlebens: Sie besingt den Staub, das Chaos und die Nacht. Sie geht dem Kleinsten wie dem Grössten nach, beschwört die Liebe, das Warten und die Dunkelheit. Eine hartnäckige Wortsuche – überraschende Denkanstösse.
Staunender Lobpreis auf Sterne und Staub
von Bettina Kugler, St. Galler Tagblatt, Focus, 9. Dez. 2017
Hymnisch. Wann haben wir zuletzt eine Staubfluse mit Ehrfurcht betrachtet? Auf einer Reise die Riesenhaftigkeit des Erdballs leibhaftig gespürt? Einem Erzfeind still gedankt dafür, dass er den Seelenfrieden stört, uns provoziert? Christine Fischer macht in den kurzen Texten ihres im Herbst erschienenen Buches «Der Zweifel, der Jubel, das Staunen» wach für solche essenziellen Erfahrungen. In einem Ton, der Alltägliches, das scheinbar Kleine wie das universale Ganze als Offenbarung feiert; der biblisch klingt und zugleich poetisch nüchtern wie Brechts Gedichte. Wer es wagt, mit dem kleinen Band in leuchtendem Pink auf den Bus zu warten, wird herausgerissen aus der Zweckmässigkeit des reibungslosen Daseins. In knapper Form hat jedes Wort Gewicht, Geschmack; es nährt, wirft Licht ins gedankenleere Grau. Erstaunlich anders als die wohlfeile Achtsamkeitsliteratur.
Das Zeug zur Veränderung
Ostschweizer Kulturmagazin «Saiten», Okt. 2017. Text: Peter Surber
Die St. Galler Autorin Christine Fischer schärft den Blick für das, was um und in uns ist, in verblüffenden und lang nachwirkenden Textminiaturen. «Die Welt ist nicht das, wonach sie den Anschein macht.» Das ist die Programmatik dieser Texte: Man ist in Christine Fischers neuem Buch immer nah am Alltäglichen, im vermeintlich vertrauten Leben drin – und zugleich tun sich dahinter, darunter, darüber tiefere und höhere Schichten auf, wie Blicke hinter die Kulissen oder wie der Moment, wenn sich der Nebel verzieht und eine Landschaft in neuer Klarheit hervortritt. Es sind aber selten Abgründe, vielmehr verborgene Wunder, verschüttete Wahrheiten, vergessene Wünsche. Dinge, zu denen Zugang hat, wer sich, mit dem Titel des Buchs gesprochen, dem Zweifel, dem Jubel und dem Staunen hingibt und aussetzt.
(...) Die sieben Kapitelüberschriften sind bereits eine Welt für sich. Sie heissen «Mutmassungen», «Anrufungen», «Anfechtungen», «Behauptungen», «Bedachtsamkeiten», «Begründungen» und «Lobpreisungen». Sie stecken die Himmelsrichtungen der Weltbetrachtung ab, man glaubt in ihnen das reflektierende Ich dieser Texte zu sehen, wie es sich mal dahin, mal dorthin dreht, wie es bald jubelnd, bald staunend, bald zweifelnd sich einen neuen Blick aneignet und sieht und sagt, was zu sagen ist, in so knapper wie poetischer Form.
(...) Aus Christine Fischers Miniaturen spricht ein Glaube, der nicht religiös im konfessionellen Sinn wirkt, ein Glaube vielmehr an die Unerschöpflichkeit und Unversehrbarkeit des Menschen und der Schöpfung. Das hat nichts Idyllisches; Abschiede, Verluste, der Tod haben ihren Platz darin ebenso wie Glücksmomente. Im Innersten dieser Texte steckt aber ein Kern an Zuversicht, an «Vertrauen in die grundsätzliche Unschuld des Menschen», wie es in einer kurzen Meditation über die Engel heisst und über die Not, die ausbrechen würde, wenn sie sterblich wären. (...)
Eine Reise durch die Wahrnehmung
Ostschweiz am Sonntag, 1. Okt. 2017, von Nina Rudnicki
In der Nacht verliert ein Mensch sein Alter und die Welt ist ein Ball aus dünner Plastikhaut: In ihrem neuen Buch «Der Zweifel, der Jubel, das Staunen» führt die St. Galler Autorin Christine Fischer in wundersame Welten.
«In der Nacht lösen sich die Gesetze des Verstandes auf», schreibt die St. Galler Autorin Christine Fischer in ihrem neuen Buch «Der Zweifel, der Jubel, das Staunen». In über 90 Kurztexten führt sie durch alle möglichen Facetten des Denkens, der Imagination und der Wahrnehmung. (…) Inspiration für ihre Texte findet Christine Fischer, wenn sie draussen in der Natur unterwegs ist, reist, ins Theater geht, in Büchern liest oder Menschen trifft. Gerade in jüngster Zeit seien es aber zunehmend innere Impulse, die sie inspirierten. «Das kann beim Dösen, Abwaschen oder Zugfahren passieren», sagt sie. Aus den Impulsen schafft sie poetische Bilder. Diese bringen zum Nachdenken, weil sie scheinbar Banales beleuchten, Annahmen auf den Kopf stellen oder auch einfach einmal neue Tatsachen schaffen. Eine solche ist beispielsweise: «Die Welt ist nicht das, wonach sie den Anschein macht. Sie ist ein Ball aus dünner Plastikhaut, gefüllt mit Chaos. Chaos ist ein Gas, welches das Universum auf Trab hält.»
Christine Fischer „Der Zweifel, der Jubel, das Staunen“, orte-Verlag
literaturblatt.ch – Buchempfehlungen und mehr – von Gallus Frei-Tomic, Okt. 2017
Kein Roman, keine Erzählung, kein Gedicht. Vielleicht philosophische Prosa. Ganz sicher Gedanken über die Hintergründe der Dinge, die abgewandten Seiten, die Unterböden, auf denen wir stehen, die aber fast immer unsichtbar sind. Ein Büchlein wie ein Brevier. Aber nicht so einfach hingebetet, keine Litanei, keine Allgemeinheiten.
Christine Fischer interessiert sich für Innenwelten. In ihren Büchern beschreibt sie Menschen in ihren Zweifeln, Abgründen, geht ihnen ganz nah. Dieses Büchlein blickt von Innen nach Aussen. Es bildet ab, was die Autorin denkt, fühlt und sieht; Das Denken um die Welt, das Fühlen einer Empfindsamen, das Sehen einer Frau, die weit über den eigenen Nabel, die eigene Nasenspitze hinaussieht. Fast hundert kurze und kürzeste Gedankenfenster mit den Kapitelüberschriften „Anrufungen“, „Mutmassungen“, „Anfechtungen“, „Behauptungen“, „Bedachtsamkeiten“, „Begründungen“ und „Lobpreisungen“. Begriffe, die aus der Zeit gefallen scheinen, für die es sonst keine Verwendung mehr zu geben scheint. Ein Büchlein, das in der Buchhandlung in kein Regal passt, nicht zu Lyrik, nicht zu den Ratgebern, kein Reiseführer. Aber genau das ist es, was den Reiz dieses Büchleins ausmacht. Christine Fischer muss nichts mehr beweisen. Am allerwenigsten, dass sie schreiben kann, dass sie denken kann, dass Sprache ein Instrument ist, das ebenso Klang wie Wirkung erzeugt.
(…) Kaum ein Text tut, was Morgenbetrachtungen tun. Sie schützen nicht, klären nicht, trösten nicht und beschwichtigen nicht. Sie rütteln und trotzen, sie zerren und stossen. Christine Fischer mischt sich ein, tut dies mit Poesie und Sprachgewalt.
Die Graphit-Zeichnungen wurden vom St. Galler Künstler Jan Kaeser eigens für dieses Buch erstellt. Er liess sich von den Texten „erschüttern und erregen“. Diese inneren Bewegungen habe er gleich einem Seismographen während des Lesens direkt mit dem Graphitstift auf Papier übertragen. Im Buch sind Ausschnitte davon abgebildet. Die beiden Künstler verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft. Etwas, das spürbar wird, wenn man sich auf Zeichnungen und Texte einlässt.